Die eigene Hausstrecke fährt man oft und kennt sie in- und auswendig. Zumindest denkt man das. Wer seinen Blick aber ein bisschen weiter links und rechts der Straße schweifen lässt, kann seine eigene Heimrunde ganz anders erleben. Mir ging es letztes Jahr auf einer Tour durch Lilienfeld so.
In Kaumberg beginnt meine Motorradtour zunächst nicht standesgemäß: Nämlich zu Fuß.
25 Minuten geht man zu Niederösterreichs höchstgelegener Ruine, der Araburg und eines vorweg: Es lohnt sich. Der Ausblick ist großartig und gibt mir einen ersten Überblick über meine Tour durch den Bezirk Lilienfeld. Die Burg bietet aber mehr.
Rauf zur Burg
Ein ehrenamtlicher Verein hat hier durch zahlreiche Exponate, Ton- und Videoanimationen mit der richtigen Prise Humor das Mittelalter im „Szenarium Araburg“ zum Leben erweckt. Dass die Geschichte der Burg durch die animierten Gemälde der drei historischen Burgherren erzählt wird, die im Dialekt so richtig übereinander herlästern, ist Geschichte im Kabarettformat und einfach genial. Noch einen schnellen Kaffee auf der wunderschönen Sonnenterrasse im Araburgstüberl zur Stärkung und schon geht’s wieder zurück zum Parkplatz.
Zündschlüssel an, und los geht’s.
Über ein paar sanfte Kurven über den Gerichtsberg kommt man nach Hainfeld. Und dort wartet eine Skurilität: Österreichs erstes Bierkrugmuseum mit mehr als 350 teilweise 500 Jahre alten Bierkrügen. Und das passenderweise direkt neben der Traditionsbrauerei Hainfeld.
Aber für Bier ist es noch zu früh, und auch der letzte Kaffee auf der Araburg noch nicht lange her. Also verzichte ich auch auf einen weiteren Zwischenstopp im Rösthaus Hainfeld. Die durchgehend großartigen Rezessionen, die das Lokal konstant von Besuchern erhält, machen mir klar, dass ich dabei etwas verpasse.
Aber ich muss weiter, vielleicht das nächste Mal. Als ich links Richtung Ramsau von der B18 abbiege, wartet eine der schönsten Strecken Niederösterreichs auf mich. Süße Häuschen in malerischer Landschaft und herrlich wenig Verkehr – zumindest an diesem Tag
Als vor mir aus dem nichts zwei Golf-Caddys die Straße queren und ich gerade noch rechtzeitig bremsen kann, beschließe ich, dass es Zeit für eine Pause ist.
Golf-Caddys und 320 PS
Golf-Caddys? Ganz recht ja, denn mitten im waldreichsten Gebiet Österreichs hat der zwölffache österreichische Rallye-Staatsmeister Franz Wittmann einen international renommierten 18-Loch-Golfplatz errichtet. Trotz Corona – das verrät mir Kellnerin Petra bei einer hervorragenden hausgemachten Bio-Limo an der Theke – konnte Wittmann auf seine Stammgäste aus Deutschland, Tschechien, der Slowakei und natürlich aus der Region selbst zählen. Sie selbst hat zuvor auf Mallorca gearbeitet und weiß, wie schlimm sich einbrechende Tourismuszahlen auswirken können.
Dass es hier so unverändert gut läuft, hat sicher viele Gründe. Einer davon ist möglicherweise, dass Franz Wittmann seinen Gästen gerne auch einmal anbietet, am Beifahrersitz seines 320 PS-starken Rallye-Boliden auf seiner Hausstrecke über dem Golfplatz um die Kurven zu driften.
„Lass es ruhig angehen.“, sage ich mir stattdessen und steige auf mein mit 46 PS deutlich schwächeres Gefährt: Die schönsten Wege im Bezirk liegen noch vor mir.
Fortsetzung folgt hier. Die Geschichte erschien in gekürzter Fassung am 13. September in den Bezirksblättern Lilienfeld